
Das Foto zeigt den Brinkamahof um 1900
Neue Sonderausstellung im Historischen Museum Bremerhaven
Ab dem 1. Juli 2023 präsentiert das Historische Museum Bremerhaven die neue Sonderausstellung „Wandelland – Vom Weideland zum Welthafen der Moderne“. Sie ist dem Übergang von einer traditionsreichen landwirtschaftlichen Kultur der Marschenbauern im Lande Wursten zu einem Überseehafengebiet gewidmet, mit dessen Ausbau Bremen Anfang des 20. Jahrhunderts die Voraussetzungen für Bremerhavens erfolgreiche Hafenplatzfunktion bis in die Gegenwart legte. Denn dort, wo heute die Kreuzfahrtschiffe ablegen, wo hunderttausende von Fahrzeugen ein- und ausgeführt werden oder wo Südfrüchte importiert und Seeschiffe repariert werden, lagen zuvor die seit Jahrhunderten bewirtschafteten Ländereien des Brinkamahofes, des südlichsten Marschenhofes im Lande Wursten, einem Kulturraum bis in die Gegenwart mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte.
Die Ausstellung ist bis zum 22. Oktober 2023 täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
Das Thema
Im Zentrum der Sommerausstellung stehen somit zwei gegensätzliche Kulturräume. Da ist zum einen die traditionsreiche Landwirtschaft im Einklang mit der Natur, wie sie die Familie Brinkama mit ihren großzügigen Ländereien über Jahrhunderte im südlichen Land Wursten betrieb. Dem gegenüber steht die Expansion Bremerhavens zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Hafenanlagen der Superlative, die dem Weltmachtstreben des Kaiserreichs Rechnung trugen.
Die Ausstellung zeigt sowohl das landwirtschaftlich geprägte Leben der wohlhabenden Marschenbauern als auch den Hafenbau, in den mit neuen Materialien und neuen Bauformen die Moderne Einzug hielt. An Stelle dieses von Naturgewalten, Wohlstand und politischen Freiheiten geprägten Kulturraums entstand mit dem Wandel zum Hafengebiet so eine industrielle Kulturlandschaft der globalisierten Moderne. Spundwände und Pfähle wurden in den Boden getrieben, auf dem früher Getreide wuchs und Kühe weideten. Transatlantische Wirtschaftsbeziehungen lösten bäuerliche Familienbande ab und imperiales Großmachtstreben motivierte an Stelle von gemeinwohlorientierter Selbstverwaltung.
Die Sonderausstellung
Die Ausstellung thematisiert die Gegensätze dieser beiden Kulturräume und stellt sie in ihren historischen Zusammenhang.
Im Erdgeschoss liegt der Fokus auf der Geschichte der Familie Brinkama, deren Name noch heute in Bremerhaven in Erinnerung ist. Aus Vegesack kommend siedelte sie sich Ende des 18. Jahrhunderts im Süden Weddewardens im Kirchspiel Imsum auf dem Flurstück Halsum an. In nur wenigen Jahren gelang es der Familie, durch geschickte Heiratspolitik zu einer der führenden Hausmannsfamilien im Land Wursten emporzusteigen. Über 120 Jahre lang bewirtschafteten vier Generationen der Brinkamas erfolgreich den Hof. Dank einer Stiftung durch Nachkommen der Familie ist es möglich, durch Originale das Leben und Wirtschaften auf einem Marschenhof in der Ausstellung zu veranschaulichen. Dazu zählen Fotografien, Briefe, Bücher, eine Butterform, eine Getreidewaage und Geschirr. Landwirtschaftliche Geräte aus der Sammlung des Museums ergänzen die Präsentation.
Den größten Einschnitt für die Familie Brinkama brachte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Expansionspolitik des deutschen Kaiserreiches. Als Reaktion auf den enormen wirtschaftlichen Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts verständigten sich Preußen und Bremen 1905 auf eine erhebliche Gebietsvergrößerung Bremerhavens, dessen Fläche sich dadurch in etwa verdreifachte. Dazu zählten auch die Ländereien der Familie Brinkama, die deshalb enteignet wurde.
Der zweite Teil der Ausstellung im Obergeschoss widmet sich dem drastischen Wandel dieser Landschaft. Im Streben um Weltmachtgeltung sowie im internationalen Wettbewerb im transatlantischen Passagierschiffsverkehr begann ein Hafenausbau, bei dem Bremens Hafenbauer an die Grenzen ihrer tradierten Bauweisen gelangten und mit der Einführung bis heute verwendeter Materialien und Bauformen neue ingenieurstechnische Maßstäbe setzte. Für die größten Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd wurden in den folgenden Jahrzehnten die Nordschleuse mit Drehbrücke sowie eine Fahrgastanlage direkt an der Weser, der Columbusbahnhof, gebaut. Unter der Leitung von Dr. Arnold Agatz entstand eine Baustelle der Superlative mit neuen Lösungsansätzen für technische Herausforderungen, die in Bremerhaven erstmals eingesetzt wurden.
Pläne und eine Vielzahl an herausragenden Fotografien sowie Objekte aus dem Nachlass von Dr. Arnold Agatz verdeutlichen die Ausmaße dieses Vorhabens. Bemerkenswert ist, dass die beteiligten Bauunternehmen den Bremerhavener Fotografen Karl Schemkes damit beauftragten, täglich die Baustelle zu fotografieren. Die Original-Glasplattennegative geben so einen außergewöhnlich detaillierten Einblick in die Baufortschritte. Um die Bauarbeiten zu illustrieren, wurde extra für die Ausstellung eine Auswahl an historischen Aufnahmen mit Künstlicher Intelligenz (KI) zum Leben erweckt. Mit Hilfe von Virtual Reality Brillen stehen die Besuchenden am Ort des Geschehens und können die Arbeiter beim Bau der Columbuskaje und der Nordschleuse beobachten.
Die Sonderausstellung wurde von den beiden wissenschaftlichen Volontär*innen des Museums kuratiert. Tamara Büschgens M. A. übernahm die erste Abteilung über die Fmilie Brinkama, Roman Smirnov M. A. den zweiten Teil zum Hafenausbau.
Das Begleitprogramm
Zur Sonderausstellung findet von Juli bis Oktober ein umfangreiches Programm mit Lesungen, Führungen, Vorträgen, einer Radtour, einem Dorfspaziergang und einem Familien-Workshop statt.
Den Auftakt bildet die Open Air-Lesung „Tete und Tyark – Eine tragische Liebesgeschichte aus Weddewarden“ am 2. Juli 2023 um 16 und 18 Uhr am Original-Schauplatz in Weddewarden. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich. Der Eintritt kostet 5 Euro pro Person.
Die erste Extratour als allgemeine Führung durch die Sonderausstellung findet am 5. Juli 2023 um 15.30 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 3 Euro pro Person.
Alle Termine finden sich auf der Website des Museums.
Das Wichtigste im Überblick
Sonderausstellung „Wandelland – Vom Weideland zum Welthafen der Moderne“
Laufzeit: 01.07.-22.10.2023
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr
Eintritt frei