Georg Wilhelm Claussen wurde am 23. Januar 1845 in Bremerhaven als Sohn eines aus Brake an der Weser stammenden Spediteurs geboren und evangelisch getauft. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine vierjährige Lehre als Schiffszimmermann auf der Tecklenborg-Werft. Nach Abschluss der Lehrzeit arbeitete er vier Jahre bei dem schottischen Schiffbauunternehmen Caird & Co. in Greenock am Clyde. Hier machte er sich mit der modernen Eisen- und Dampfschiffbautechnologie vertraut.
1869 kehrte Claussen nach Bremerhaven zurück und nahm die Arbeit als Konstrukteur auf der Tecklenborg-Werft wieder auf. Eines seiner ersten Projekte war der Bau des hölzernen Polarexpeditionsschiffs “GERMANIA”. 1872 erhielt Claussen zusammen mit Eduard Tecklenborg Prokura. Im gleichen Jahr baute Claussen ein weiteres Expeditionsschiff, die Schonerbark “ADMIRAL TEGETTHOFF”, für die Österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition.
Nach dem Tod von Johann Carl Tecklenborg am 14. Oktober 1873 übernahm Claussen die technische Leitung der Tecklenborg-Werft. In den darauf folgenden Jahren erfolgte die Umstrukturierung und Erweiterung der Werft. 1879 wurde auf der Tecklenborg-Werft das letzte hölzerne Segelschiff, die Bark “FIGARO”, gebaut.
1876 stieg Claussen als Teilhaber in das Schiffbauunternehmen ein. Im nächsten Jahrzehnt wurde die Werft auf den Eisen- und Stahlschiffbau umgestellt und ab 1881 auf dem Geestemünder “Wählacker” ein neues Werftgelände kontinuierlich ausgebaut. Die Kessel- und Maschinenfertigung wurde aufgenommen und das Werftpersonal bis zum Jahr 1900 auf 1000 Mitarbeiter aufgestockt.
Georg Wilhelm Claussen war als Konstrukteur und technischer Leiter für fast alle herausragenden Schiffsneubauten der Tecklenborg-Werft verantwortlich. Dazu zählten Polarexpeditionsschiffe, die größten Fünfmastsegelschiffe der Welt, Fracht- und Tankdampfschiffe sowie große Passagierdampfschiffe für den Norddeutschen Lloyd und die Hamburger HAPAG.
Claussen fand als Schiffskonstrukteur nationale Anerkennung. Er wurde zum Königlich-Preußischen Baurat ernannt und erhielt die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Er betätigte sich als Beisitzer im Reichsoberseeamt und als Vizekonsul von Österreich-Ungarn. Die Schiffbautechnische Gesellschaft machte ihn zu ihrem Ehrenmitglied und Geestemünde zu ihrem Ehrenbürger.
Die Umstrukturierungen der Tecklenborg-Werft im Zuge der Umstellung auf den Eisen- und Stahlschiffbau sowie die Kessel- und Maschinenproduktion erforderten eine breite Kapitalbasis des Unternehmens. Am 1. Januar 1894 wurde die Tecklenborg-Werft in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, am 1. Januar 1897 erfolgte der Eintrag als offene Handelsgesellschaft. Im gleichen Jahr wurde die Werft zum 1. Juni eine Aktiengesellschaft. Georg Wilhelm Claussen fungierte neben Eduard Tecklenborg als Direktor der neuen Unternehmensform. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte die Werft rund 3000 Mitarbeiter. Die Werft war zu diesem Zeitpunkt eines der führenden Unternehmen in Deutschland.
Den erneuten Aufschwung der Tecklenborg-Werft nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erlebte Georg Wilhelm Claussen nicht mehr. Er starb in Bremerhaven am 19. Januar 1919.