60 Jahre Bremerhavener Patenschaft mit Elbing
Historisches Museum Bremerhaven zeigt Ausstellung zur Geschichte der westpreußischen Stadt
Vor 60 Jahren, im Jahr 1954, beschloss der Magistrat der Stadt Bremerhaven, für den westpreußischen Stadt- und Landkreis Elbing eine Patenschaft zu übernehmen. Kern des Patenschaftsgedankens war, die Integration der Vertriebenen zu erleichtern und deren kulturelles Erbe zu bewahren. Zahlreiche Elbinger waren Ende des Zweiten Weltkriegs vor der Roten Armee nach Bremerhaven geflüchtet. Viele von ihnen beteiligten sich hier am Wiederaufbau der zerstörten Stadt. Herausragendes Beispiel dafür ist die Schichau-Werft, die 1945/46 am Neuen Hafen gegründet wurde.
Stammsitz der international erfolgreichen Schichau-Werke war Elbing, wo Ferdinand Schichau 1854 seinen Maschinenbaubetrieb zu einer Werft erweiterte. Weitere Werft-Standorte entstanden in Pillau bei Königsberg und in Danzig. Auch die Bremer Reederei Norddeutscher Lloyd, die von Bremerhaven aus Schiffsrouten in alle Welt unterhielt, ließ bei Schichau Passagierdampfer bauen. Ein weiteres wirtschaftliches Standbein in Elbing war die Fischerei, da die Stadt über den Elbing-Fluss einen direkten Zugang zur Ostsee hatte. Außerdem verfügte das rund 100.000 Einwohner umfassende Elbing über eine bedeutende Automobil- und Maschinenbauindustrie.
Die Elbinger Industrie war daher gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ein strategisches Ziel der vorrückenden Roten Armee. Die Stadt wurde größtenteils zerstört, viele Elbinger flüchteten über die Ostsee oder den beschwerlichen Landweg in den Westen. Insbesondere Fischer und Schiffbauer fanden in Bremerhaven, dem damaligen Wesermünde, eine neue Heimat und beteiligten sich am Wiederaufbau der Hochseefischerei und der Werftindustrie.
Die kleine Ausstellung im Obergeschoss des Historischen Museums Bremerhaven gibt einerseits einen Überblick über die Geschichte Elbings, vermittelt andererseits aber auch einen Eindruck vom Schicksal der Vertriebenen, die nur wenig Hab und Gut auf die Flucht mitnehmen konnten. Die Schere eines Elbinger Schneidermeisters, die Schlüssel vom Rathaus, die die Sekretärin des Oberbürgermeisters mitnahm, oder ein kostbarer Globus aus dem 17. Jahrhundert sind Beispiele für die vielfältigen, heute zum Teil kurios anmutenden Objekte, die den Menschen damals wichtig waren und einen Weg in den Westen fanden.
Neben den Fluchtutensilien zeigt die Ausstellung Gemälde, Drucke, Fotos und zahlreiche Objekte aus der Geschichte der westpreußischen Stadt Elbing, die im Jahr 1237 gegründet wurde. Wertvolle Druckgrafik, wie ein Merian-Kupferstich von 1626 sowie Stahlstiche aus dem 18. und 19. Jahrhundert vermitteln den wirtschaftlichen Aufstieg Elbings, das auf Grund seiner strategischen Lage immer wieder in das Konfliktfeld verschiedener Mächte geriet. Mit der Integration in das wiedervereinigte preußische Königreich 1772 brach für die Stadt eine Zeit wirtschaftlicher Prosperität an.
Zusammengetragen hat die Elbing-Sammlung die „Truso-Vereinigung e. V.“, die Teil der westpreußischen Landsmannschaft ist. Geleitet wird die Truso-Vereinigung zur Geschichte, Kultur und Wissenschaft von Elbing und Umgebung von Hans-Jürgen Schuch, dem ehemaligen hauptamtlichen Bundesgeschäftsführer der Landsmannschaft Westpreußen und Direktor des Westpreußischen Landesmuseums. Schuch hat sich zahlreiche Verdienste um die deutsch-polnische Völkerverständigung erworben. Er ist nicht nur Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, sondern seit 2003 auch Ehrenbürger seiner Heimatstadt Elbing, dem heutigen polnischen Elbląg, da er der Stadtverwaltung wesentliche Hilfestellungen beim Wiederaufbau gab.
Die Sammlung der Truso-Vereinigung ist seit den 1960er Jahren im Historischen Museum Bremerhaven magazinisiert. Die Ausstellung zum 60-jährigen Jubiläum der Patenschaft zwischen Bremerhaven und Elbing präsentiert ausgewählte Objekte der Sammlung zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Sie ist ein Kooperationsprojekt des Historischen Museums Bremerhaven mit der Truso-Vereinigung.
Stand: 30.09.2014
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