Eine Villa in der Borriesstraße
In einem Stadtführer von 1913 wird die von Linden gesäumte Borriesstraße als „schönste und vornehmste Straße von Geestemünde“ bezeichnet. In der belebten Geschäftsstraße standen besonders repräsentative Gebäude wie das Riedemannsche Palais, die Geestemünder Bank oder das Landratsamt. Zu den aufstrebenden Geestemünder Unternehmer/-innen, die sich in der Borriesstraße niederließen, zählte auch der Sohn von Kapitän Kohn. Franz Kohn führte seit 1880 die erfolgreiche Holzhandlung „Pundt & Kohn“. 1885 kaufte er ein Grundstück neben der Geestemünder Bank, auf dem er ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichten ließ. Eine Bauzeichnung von Christian Ludwig zeigt die aufwendige Fassade zur Straßenseite hin. Das Original wird im Stadtarchiv verwahrt. Die Villa wurde auf Sandpfählen errichtet, die den lockeren Baugrund stabilisierten, und an der rechten Seite entstand ein markanter quadratischer Turm mit Fahnenmast.
Die beiden oberen Etagen bezog Franz Kohn mit seiner Familie. Er war seit 1881 mit Johanna Margarethe Gehrels verheiratet, mit der er fünf Söhne bekam. Mit einer Köchin und einem Hausmädchen waren Kohns in der Lage, einen bürgerlich gehobenen Haushalt zu führen. In das Erdgeschoss des Neubaus zogen die Geschäftsräume des Familienbetriebs ein. Erst 1908 erhielten sie ein eigenes Gebäude. Damit vergrößerte sich die Wohnfläche für Familie Kohn, die in ihrem Wohnzimmer mit einem Flügel und einem Spieltisch zu unterhalten wusste. Einen Erker zum Garten hin hatte Frank Kohn 1898 errichten lassen. Sein Sohn Hans Kohn setzte darauf in den 1920er Jahren noch ein Büro und erweiterte die Einrichtung des Hauses vor seiner Heirat im Jahr 1939 mit exotischen Stoffe und verschiedenen Kunstgegenständen. Die Villa in der Borriesstraße 6, in unmittelbarer Nähe zum Ursprung des Unternehmens am Geesteufer und zu den neuen Betriebsanlagen am Querkanal, wurde bei einem Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs zerstört.
Foto: Historisches Museum Bremerhaven
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